Bonifatius

oder wie man ein Votum kippt
von Thomas Püttmann

Region Ost

Die Region Ost der Pfarrei Liebfrauen besteht aus den Stadtteilen Werne und Langendreer. Als die Pfarrei im Jahr 2008 gegründet wurde, gab es vier Kirchen in dieser Region: St. Ludgerus im Langendreerer Südwesten, St. Bonifatius im Langendreerer Osten, St. Marien in Langendreer West und Herz-Jesu in Werne.

PEP

Im Zuge des Pfarreientwicklungsprozesses wurde das Ziel ausgegeben, bis 2030 von diesen vier Kirchen nur eine zu aktiv halten. St. Ludgerus und Herz-Jesu spielten schon früh kaum eine Rolle mehr in den Überlegungen. Es kam zu einem harten und verletzungsreichen Kampf um und zwischen St. Marien und St. Bonifatius.

Votum

Der Pfarreientwicklungsprozess wurde durch das Votum im Jahr 2018 abgeschlossen. Das Votum verfolgte den klaren Kurs, „nah bei den Menschen zu bleiben“. Sollte ein Standort seine Kirche verlieren, so sollte dort eine andere Immobilie verbleiben, die den Menschen eine Fortsetzung des Gemeindelebens vor Ort ermöglichen sollte.

Im Votum wurde St. Bonifatius für die Region Ost als die Kirche festgelegt, die über das Jahr 2030 erhalten werden soll. Die kleinere und unkomplizierte Bonifatiuskirche setzte sich also gegen die größere Kirche St. Marien durch, die einen aufwändigen und mit vielen Unsicherheiten behafteten Umbau erfordert.

Allerdings wurde die Entscheidung mit einer Hintertür versehen:

Sollte sich die Möglichkeit abzeichnen, eine verkleinerte und kostengünstigere Marienkirche (multifunktionale Nutzung) zu erhalten, und der gemeinsame Gemeinderat von St. Bonifatius und St. Marien sich bis zum 31.12.2020 für den Erhalt der Marienkirche (statt St. Bonifatius) aussprechen, so wird eine entsprechende Entscheidungsvorlage zur Veränderung der Votumsplanung im Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat zur Abstimmung gebracht. Diese Änderung müsste auch durch das Bistum Essen genehmigt werden.

Die Auseinandersetzungen gingen daher noch zwei Jahre in voller Härte weiter. Pastor Kemper hielt die räumliche Trennung von Kirche und Gemeindeheim für nicht sinnvoll und suchte angestrengt und erfolglos weiter nach Alternativen zur Bonifatiuskirche.

Es blieb auch nach Verstreichen des im Votum gesetzten Enddatums 31.12.2020 bei der Entscheidung, St. Bonifatius langfristig als Kirche zu erhalten.

Pfarrgemeinderat

Im November 2021 wurde ein neuer Pfarrgemeinderat gewählt bzw. mangels alternativer Kandidaten ernannt. Weder aus St. Marien noch aus St. Bonifatius hatten sich Personen zur Wahl aufstellen lassen.

Zu den zwei Kandidaten aus Liebfrauen und den zwei Kandidaten aus St. Elisabeth mit ihren im Votum gesetzten Kirchen kamen zwei Vertreter aus Herz-Jesu, zwei aus der italienischen und zwei aus der spanischen Gemeinde und ein Vertreter aus dem Kirchenvorstand.

Aus dem Pastoralteam wurden neben dem Pfarrer als geborenem Mitglied zwei Personen in den PGR entsendet. Beide sind oder waren lange in St. Marien tätig.

Die beiden Kandidaten aus Liebfrauen wurden als Vorsitzender und Schriftführer in den PGR-Vorstand gewählt.

Es wurden dann noch fünf Personen hinzuberufen, aber niemand aus St. Marien oder St. Bonifatius.

Frage

Auf der Pfarrgemeinderatssitzung am 3. März 2022 wurde laut Protokoll in einer Diskussion über den Pfarreientwicklungsprozess die folgende Frage gestellt:

Ist die vor fünf Jahren im PEP-Votum formulierte Planung, auch zukünftig an allen Standorten präsent zu bleiben, aufgrund der finanziellen Entwicklungen weiterhin haltbar?

Perspektive

Im Protokoll der Pfarrgemeinderatssitzung vom 13. Juni 2023 heißt es unter Punkt 2 PEP - Antrag auf Änderung des Votums:

Der PGR beschließt einstimmig, einen Antrag an den KV zu richten mit dem Ziel, das Votum zum Pfarreientwicklungsprozess aus dem Jahr 2018 an zwei Stellen zu ändern und die Perspektive von zukünftig drei „Komplettstandorten“ in den Text einzuarbeiten.

Abstimmung

Laut Protokoll kommt es dann schon am 19. Oktober 2023 zu einer Abstimmung über den Komplettstandort in der Region Ost anhand einer willkürlichen Kriterienliste. (Das Kriterium einer schnellen und unkomplizierten Lösung fehlt zum Beispiel vollkommen und könnte ganz oben auf der Liste stehen.)

Das Ergebnis der Abstimmung: 10 Stimmen für St. Marien, 2 für Herz-Jesu und 2 Enthaltungen.

Abwicklung

Danach verlief der Dienstweg über den Kirchenvorstand zum Bistum. Schon am 16. April 2024 stimmt der PGR dem Wunsch des Pastoralteams zu, die Kirchen Heilig Geist im Herbst 2024 und Herz-Jesu und St. Bonifatius im Herbst 2025 außer Dienst zu stellen.

Fazit

Ein Pastoralteam wünscht die Außer-Dienst-Stellungen von drei Kirchen schon in den Jahren 2024 und 2025, obwohl die Außer-Dienst-Stellungen laut Votum bis 2030 Zeit gehabt hätten. Ein zum größten Teil ernannter Pfarrgemeinderat ohne Vertreter aus Langendreer befürwortet einen solchen Wunsch, obwohl es die eigentliche Aufgabe eines Pfarrgemeinderats ist, kirchliches Leben zu ermöglichen, nicht abzuwickeln.

Welchen Sinn hatte der aufwändige Pfarreientwicklungsprozess und das abschließende Votum, wenn Kirchenvorstand und Bistum einfach tiefgreifende Änderungen absegnen? Hier wird die langjährige Arbeit vieler Haupt- und Ehrenamtlicher entwertet.

Es werden jetzt zum zweiten Mal aufwändige Umbauszenarien für St. Marien ins Spiel gebracht. Hat man aus den vor ein paar Jahren angestrengt durchgespielten Szenarien gelernt? Kommt einem nicht zwangsläufig die gigantische Nullnummer „Stadtteilzentrum Altenbochum“ in den Sinn, an der der derzeitige Pfarrgemeinderatsvorsitzende maßgeblich beteiligt war? Wie sinnvoll ist es, Herz-Jesu und St. Bonifatius außer Dienst zu stellen, ohne zuvor eine funktionsfähige Alternative zu haben? Es sieht alles so aus, dass über Jahre in der Region Ost keine einzige katholische Kirche mehr im Dienst sein wird, und die Gefahr besteht, dass am Ende das große Garnichts verbleibt.

So viele Menschen im Bochumer Osten sind fassungslos und verzweifelt angesichts der getroffenen Entscheidungen. Ich schließe mich dieser Fassungslosigkeit ohne Einschränkungen an.

Ein Gedicht

Boni·farce·ius

Schon an sicheren Gestaden
wähnte sich der Missionar.
Doch der PGR stellt Fragen,
ob denn alles richtig war.

Perspektivisch wär's schon besser,
blieben Standorte komplett.
Also muss man andere schließen,
ist's für diese auch nicht nett.

Und so geht's zurück ins Wasser.
Bonis Boot zerschellt alsbald
an den Klippen, an der tiefen
untergründigen Gewalt.

Weit entfernt sind nun die Ufer –
manche Insel meidet man.
Auf nach Dortmund, Stiepel, Witten,
so man so weit schwimmen kann.



Hinweis: Die Karikatur oben wurde mit Hilfe von ChatGPT erstellt. Sie kann frei genutzt werden, zum Beispiel als Motiv auf T-Shirts, Tassen oder Taschen. Alle Texte auf meinen Seiten sind 100% KI-frei.

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E-Mail: thomas.puettmann@kirchead.de